Fahrzeuge und Infrastruktur

Synthetische Treibstoffe für eine umfassend nachhaltige Mobilität

 

Die AMAG setzt insbesondere auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, um als Unternehmen bis 2025 klimaneutral zu werden. Doch im grossen Bild bleibt Tatsache, dass 2040 auf den Schweizer Strassen immer noch zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Personenwagen mit Verbrennungsmotor unterwegs sein werden. Deshalb hat die AMAG 2022 ihre Beteiligung am ETH-Spin-off Synhelion mit einer weiteren Kapitaltranche bestätigt. Synhelion arbeitet an synthetischen CO2-neutralen Treibstoffen, die mit Solarenergie produziert werden.
 

Die AMAG will bis 2025 als Unternehmen klimaneutral werden. Zusätzlich unterstützt ein eigener Klima- und Innovationsfonds Initiativen und Start-ups, die zur Dekarbonisierung des Gesamtsystems beitragen. Das erste Engagement gingen wir 2021 mit der Beteiligung an Synhelion ein, einem Spin-off der ETH Zürich. Synhelion entwickelt Solartreibstoffe wie Kerosin, Diesel und Benzin, um CO2-neutrale Mobilität zu ermöglichen. Diese können die fossilen Treibstoffe direkt ersetzen und sind mit der weltweit bestehenden Treibstoff-Infrastruktur vollständig kompatibel. Zudem sind die nachhaltigen Solartreibstoffe CO2-neutral, da sie bei der Verbrennung nur so viel CO2 ausstossen, wie für ihre Herstellung verwendet wurde. Im Rahmen der letzten Finanzierungsrunde im Dezember 2022 hat die AMAG ihr Engagement bei Synhelion bestätigt. Weitere Investoren sind unter anderen Swiss, Eni, SMS group und CEMEX.

Doch weshalb dieses Engagement? AMAG CEO Helmut Ruhl: «Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch und gleichzeitig besteht ein enormes Potenzial, die CO2-Emissionen der Bestandsfahrzeuge durch nahezu CO2-neutral erzeugte Treibstoffe zu reduzieren. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.» Im Bereich des Strassenverkehrs zeigen Berechnungen der EMPA, dass 2040 in der Schweiz noch zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Personenwagen mit Verbrennungsmotor unterwegs sein werden, darunter auch rund 150’000 Oldtimerfahrzeuge. In anderen Weltgegenden wird es noch deutlich länger dauern, bis die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren deutlich nachlässt. Um das Netto-null-Emissionsziel 2050 der Schweiz zu erreichen, sieht die AMAG Synhelions Solartreibstoffe als ergänzende Lösung zur Elektrifizierung des Strassenverkehrs.

Wo steht Synhelion heute und wie will sich das Unternehmen weiterentwickeln – ein Interview mit CEO und Mitgründer Philipp Furler.
 

Was treibt euch bei Synhelion an?
 

Wir glauben an eine globalisierte Welt, in der Menschen nachhaltiger reisen und persönliche sowie berufliche Beziehungen pflegen können. Da flüssige Treibstoffe weiterhin für Reisen, Transport und Güterverkehr benötigt werden, müssen wir auf nachhaltige, sauberere Alternativen umsteigen. Unsere alternativen Solartreibstoffe tragen zur Unabhängigkeit von fossilen Treibstoffen bei und schliessen den CO2-Kreislauf.

 

Wo steht Synhelion heute bei der Entwicklung der Solartreibstoffe?
 

Letztes Jahr haben wir unsere technischen Kernkomponenten miteinander gekoppelt und erfolgreich Synthesegas im industriellen Massstab hergestellt. Damit haben wir den letzten entscheidenden technischen Meilenstein für die industrielle Produktion von Solartreibstoffen erreicht. Derzeit bauen wir in Jülich in Norddeutschland unsere erste Anlage zur industriellen Produktion von Solartreibstoff. Diese Demonstrationsanlage wird Ende 2023 fertiggestellt sein und wird einige tausend Liter pro Jahr produzieren. Die erste kommerzielle Produktionsanlage werden wir 2025 in Spanien mit einer Kapazität von 1,25 Millionen Litern pro Jahr in Betrieb nehmen.
 

Wie funktioniert eure Technologie?
 

Synhelion hat vier Innovationen entwickelt, um Solarenergie in flüssige Treibstoffe umzuwandeln: Heliostaten, einen Solar-Receiver, einen thermochemischen Reaktor und einen thermischen Energiespeicher.

Das Spiegelfeld, also die Heliostaten, konzentriert das eintreffende Sonnenlicht auf die Spitze des Solarturms, wo sich der Receiver befindet. Der Receiver wandelt das konzentrierte Sonnenlicht in Hochtemperatur-Prozesswärme von über 1000 °C um. Ein Teil der erzeugten Wärme wird dann direkt dem thermochemischen Reaktor zugeführt, der CO2, Wasser und Bio-Methan in Synthesegas umwandelt, ein Gemisch aus H2 und CO. Das erzeugte Synthesegas wird anschliessend mit der üblichen Gas-to-Liquid-Technologie zu flüssigen Treibstoffen wie Kerosin, Benzin oder Diesel verarbeitet.
 

Was geschieht mit dem Rest der produzierten Wärme?
 

Um einen kontinuierlichen 24-Stunden-Betrieb der Anlage zu gewährleisten und eine hohe Auslastung der Anlage über das ganze Jahr zu erreichen, wird der andere Teil der tagsüber erzeugten Wärme in einem thermischen Energiespeicher zwischengespeichert und immer dann genutzt, wenn es kein Sonnenlicht gibt, zum Beispiel nachts.

 

Philipp Furler, CEO und Mitgründer Synhelion
Philipp Furler, CEO und Mitgründer Synhelion

Für die Herstellung der Solartreibstoffe braucht ihr Kohlenstoff. Woher bezieht ihr den Kohlenstoff?
 

Synhelions thermochemischer Reaktor kann verschiedene Kohlenstoffquellen verarbeiten: von RED-II-zertifiziertem Bioabfall über recyceltes CO2 aus industriellen Prozessen bis hin zu aus Direct Air Capture gewonnenem CO2.
 

Was wird konkret in der ersten industriellen Anlage verwendet?


Da CO2 aus Direct Air Capture aktuell noch sehr teuer ist, werden wir für unsere erste industrielle Anlage eine biogene Kohlenstoffquelle verwenden. Konkret handelt es sich um Bioabfall aus einer lokalen Papierfabrik. Dieser Bioabfall wird heute nicht weiter recycelt, sondern in der Kehrichtverbrennungsanlage verbrannt. Für uns bietet dieser Bioabfall aber eine wertvolle Kohlenstoffquelle.
 

Welche Vorteile hat eure Technologie?
 

Unsere Technologie basiert auf Solarenergie, weil sie eine der günstigsten erneuerbaren Energiequellen ist. Sie ist reichlich und weltweit gut verteilt verfügbar. Wie erwähnt, können wir mit unserem Wärmespeicher die tagsüber erzeugte Solarwärme speichern und so rund um die Uhr Treibstoff produzieren. Die thermische Energiespeicherung ist billiger und umweltfreundlicher als die Batteriespeicherung.

Was den Standort unserer Anlagen betrifft, so konkurrieren wir nicht mit der Landwirtschaft oder anderen Landnutzungen, da für uns primär Wüstengebiete mit maximaler Sonneneinstrahlung ideal sind. Solche Flächen sind reichlich auf der ganzen Welt vorhanden. Zudem sind unsere Anlagen grundsätzlich energieautark und unabhängig vom Stromnetz. Dies sind einige Vorteile, die es uns erlauben, kostengünstig zu produzieren und unsere Technologie weltweit schnell zu skalieren.
 

Wie sieht die Roadmap von Synhelion aus?
 

Innerhalb der nächsten zehn Jahren streben wir Produktionskosten von unter einem Franken pro Liter und eine kommerzielle Produktionskapazität von 875 Millionen Litern Treibstoff pro Jahr an. Das entspricht etwa der Hälfte des Flugtreibstoffs, welcher in der Schweiz betankt wird, oder einem Fünftel des aktuellen Schweizer Benzinverbrauchs. Bis 2040 wollen wir unsere Produktionskapazität auf 50 Milliarden Liter Solartreibstoff pro Jahr erhöhen, womit beispielsweise etwa die Hälfte des europäischen Flugtreibstoffbedarfs gedeckt werden könnte.
 

Braucht es dafür nicht enorme Umstellungen bei der Transport- und Betankungsinfrastruktur?
 

Nein. Unsere Treibstoffe – solares Benzin, Diesel oder Kerosin – können die fossilen Treibstoffe direkt ersetzen und sind mit der weltweit bestehenden Treibstoff-Infrastruktur vollständig kompatibel.
 

Wie wichtig sind für euch Partner und Investoren wie die AMAG?
 

Enorm wichtig. Die Investitionen und das Engagement unserer Investoren sind einerseits eine grosse Anerkennung unserer Leistung, unseres Erfolgs und unserer Zukunftsaussichten. Andererseits haben wir grosse technologische und kommerzielle Synergien entlang der Wertschöpfungskette und profitieren darum sehr stark von unseren Partnern. Die Investitionen und die Zusammenarbeit beschleunigen die Skalierung und Kommerzialisierung unserer Technologie markant.

Mit der AMAG teilen wir die Ansicht, dass es zur Dekarbonisierung des Strassenverkehrs viele verschiedene Technologien braucht, um das Netto-null-Emissionsziel bis 2050 zu erreichen. Die Solartreibstoffe sehen wir komplementär zur Elektrifizierung des Strassenverkehrs für diejenigen Bereiche, die nicht elektrifiziert werden können.

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